Das Tegernseer Bier ist bei Jung und Alt beliebt. Die Jugendlichen im Tal scheinen gar nicht früh genug auf den Biergeschmack zu kommen. Doch längst bleibt es nicht mehr beim „Pausenbier“ und einer Zigarette. Die legale Droge Alkohol ist dabei nur der Anfang einer Drogenrealität, die immer Jüngere erwischt.
Es ist Montagnachmittag. Im Kurpark in Tegernsee sind um die Mittagszeit drei Jugendliche unterwegs. Jeder von ihnen hat eine Flasche Tegernseer in der Hand. Auf einer Holzbank machen es sich die drei gemütlich. Danach zünden sie sich noch eine Zigarette an. Geschätztes Alter: 15 Jahre.
Nach einer halben Stunde, einer Zigarette und einem halben Liter Bier machen sich die Jungs wieder auf den Weg in Richtung Gymnasium. Der Gedanke, dass es sich bei den dreien um Schüler handelt, ist gar nicht so abwegig.
Jugendkriminalität steigt wegen Drogenmissbrauchs
Für viele Erwachsene mag das erschreckend klingen, doch nicht wenige Jugendliche scheinen das gelassen zu sehen. Ob Alkohol am Morgen oder der Joint zwischendurch – für die Schulleiter des Tegernseer Gymnasiums und der Gmunder Realschule ist das Thema ernst.
Die Polizeibeamten aus Bad Wiessee bestätigen einen deutlichen Anstieg von Drogendelikten und Sachbeschädigungen. Ursache ist neben zu viel Alkohol immer öfter auch der Konsum illegaler Drogen. Tendenz: steigend. Erst im Februar wurden die Taten eines Tegernseer Drogentrios aufgedeckt, von denen mindestens ein Verdächtiger noch unter das Jugendstrafrecht fällt.
Genaue Zahlen über den Drogenkonsum bei unter 18-Jährigen gebe es zwar laut Wiesseer Polizei nicht. Doch man beobachte die Entwicklung genau. Auch Werner Oberholzner, Schulleiter des Tegernseer Gymnasiums, betont, dass Drogenmissbrauch immer öfter auch bei jüngeren Schülern auffalle:
Generell muss man leider feststellen, dass bereits 13-Jährige vor diesen Stoffen nicht zurückschrecken.
Deshalb führt das Tegernseer Gymnasium schon bei den Achtklässlern präventive Maßnahmen durch. „Die Zusammenarbeit mit den Polizeibeamten funktioniert einwandfrei“, so Oberholzner. Falls ein Missbrauch offensichtlich wird, meldet der Schulleiter den Vorfall. Der Jugendbeauftragte der Polizei, Anton Schwinghammer, nimmt sich dann des betroffenen Schülers an.
Schmaler Grat zwischen Aufklärung und Drogenkunde
Präventionsveranstaltungen an den Schulen des Landkreises Miesbach sollen sogenannte Lebenskompetenzen vermitteln und stärken Schutzfaktoren – so die Theorie. Doch Gabriele Dorby, Pressesprecherin des Landratsamts, weist darauf hin: „Der Grat zwischen Aufklärung und ‚Drogenkunde’ ist sehr schmal. Denn häufig wird durch Wissen über Drogen auch Neugier geweckt.“
„Wir dürfen dieses Thema nicht unter den Teppich kehren. In solchen Fällen muss man hart durchgreifen, damit die Schüler in diesem Alter ihre Grenzen kennenlernen“, so Oberholzner weiter. Vor einiger Zeit hat der Drogenmissbrauch eines Schülers zu einem Disziplinarverfahren geführt. Die achten Klassen besuchen außerdem eine Suchtklinik in der Region, um sich anschaulich über die Gefahren zu informieren. Dabei sollen Gespräche mit Suchtkranken abschrecken und warnen.
Ein solches Projekt bietet auch die Gmunder Realschule an. Unter dem Titel „Sauber bleiben“ finden sowohl theoretische Schulstunden, wie auch ein praktischer Ausflug in eine Suchtanstalt nahe Bad Tölz statt. Schulleiter Stefan Ambrosi berichtet, dass noch kein Schüler beim Drogenkonsum auf dem Schulareal erwischt wurde.
Trotzdem beschäftigen sich Lehrer und Schulleiter intensiv mit dem Thema. Ambrosi erzählt, dass die Lehrerschaft meist von den Eltern informiert wird, die dort um Hilfe bitten. Die Schule bietet verschiedene Hilfssysteme, wie die Betreuung durch Schulpsychologen oder Drogenberater. In einzelnen Fällen sucht man zusammen mit den Eltern auch eine externe Beratungsstelle aus. Schulleiter Ambrosi sieht aber noch eine andere Gefahr:
Die aktuelle Legalisierungsdebatte sehe ich skeptisch. Sie vermittelt bei manchen Jugendlichen ein falsches Bild von Drogen.
Drogenmissbrauch hat Konsequenzen. Dabei hängen die Strafen von vielen Faktoren ab. Primär kommt es darauf an, ob jemand Drogen konsumiert oder sogar mit diesen handelt. Letzteres zieht schwerwiegendere Strafen nach sich. Jugendliche bis 18 Jahre fallen unter das Jugendstrafrecht.
Heranwachsende bis 21 Jahre werden ebenfalls regelmäßig nach Jugendstrafrecht abgeurteilt. Hier werden insbesondere Sozialdienste, Geldstrafen oder freiheitsentziehende Maßnahmen als Strafen angeordnet.
Gesundheitliche Spätfolgen sind bedenklich
Frank Zahnert von Wrba & Parnter Rechtsanwälte aus Tegernsee erklärt: „Ersttäter kommen meist mit einem blauen Auge und somit mit einer milden Strafe davon. Bei Wiederholungstätern werden meist deutlich härtere Strafen und gerne auch Arreste verhängt.“
Viele Jugendliche denken kaum über die Folgen nach, weder über strafrechtliche, noch über gesundheitliche. Was gefährlich ist und viele vergessen: Durch eine Haaranalyse können Drogen noch lange Zeit nach dem Konsum nachgewiesen werden. Sollte dies der Fall sein, muss der Betroffene nicht als Strafe, sondern als Präventivmaßnahme mit einem Führerscheinentzug rechnen.
Und auch die Spätfolgen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. „Patienten mit Halluzinationen oder anderen psychischen Erkrankungen haben oftmals eine Drogenvergangenheit“, weiß Zahnert. Weil durch Prävention eine selbstsichere und eigenverantwortliche Haltung erzielt werde, seien die schulischen Maßnahmen ein wichtiger Ansatzpunkt.